Fauré-Requiem
Gabriel Fauré, Requiem
Partiturseite des Requiems von Fauré
Bibliothèque National, Paris
Gabriel Fauré, Requiem op. 48
komponiert 1887/88
überarbeitet 1893-1899
Gabriel Faurés Requiem gehört zu den wenigen Werken des französischen Komponisten, die eine große Bekanntheit erreicht haben, wobei jedoch heutzutage meistens die "Konzertfassung" mit großem Orchester und großbesetztem Chor, die erst um 1900 entstanden sein dürfte, zu hören ist. Ursprünglich hatte Fauré das Werk für Aufführungen in Trauergottesdiensten an der Kirche de la Ste. Marie Madeleine in Paris, wo er als Kapellmeister wirkte, komponiert. Dort erklang es am 16. Januar 1888 zum ersten Mal. Die Instrumentalbesetzung dieser ersten Aufführung mit geteilten Bratschen und Celli, Kontrabaß, Solovioline, Harfe, Pauken und Orgel zeichnet den sanften und sakralen Charakter des Werkes noch deutlicher als die späteren Fassungen, in denen Holz- und Blechbläser hinzutreten, die die wichtige Rolle der Orgel in der Erstfassung verdrängen. Der Chor an der Madeleine, unter Faurés Leitung, hatte kaum mehr als 30 Sänger - etwa 25 Knaben und 8-10 Männer. "Bei Aufführungen im Kirchenraum oder gar in liturgischem Rahmen sollte man sich der früheren Fassungen [es gibt eine zweite Fassung von 1893/94, in der Trompeten, Hörner und Posaunen hinzugefügt wurden] erinnern", schreibt der Fauré-Forscher und -Biograph Jean Michel Nectoux - und so haben wir uns in unseren Aufführungen dem Requiem von Fauré in einer Rekonstruktion der ersten Fassung aus dem Jahr 1888 genähert. Dabei berücksichtigten wir auch die vermutliche originale Aussprache des Kirchenlateins in Frankreich zur Zeit der Erstaufführung. Die lateinische Sprache wurde seit dem Mittelalter in ganz Europa als 'lebendige' Sprache für Christentum und Wissenschaften fortgeführt, wobei die Aussprache verschiedenen nationalen und regionalen Formen, sozusagen 'Dialekten', unterworfen war. Diese waren jeweils an die Spracheigenheiten der Nationalsprachen angelehnt bzw. entwickelten sich parallel dazu, gerade in jenen Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien, deren Landessprachen sich aus dem klassischen Latein entwickelt hatten. In der liturgischen Sprache hielten sich diese Aussprachevarianten unterschiedlich lange, wurden immer wieder durch Reformen festgelegt und geändert. Die letzte Ausprachereform des Kirchenlateins in Frankreich fand erst 1904 statt. Bis dahin - also auch noch zu Faurés Zeit - war es üblich, eine 'französische' Aussprache zugrunde zu legen. So klangen viele Konsonanten weicher, der Vokal 'u' als 'ü', andere Vokale vor 'n' oder 'nd' wurden nasalisiert. Durch die Reform von 1904 wurde diese Praxis zugunsten einer Vereinheitlichung beseitigt, so daß man heute nur noch zwischen einer 'romanischen' und einer 'germanischen' Aussprache des Kirchenlatein unterscheiden kann, die aber auch nur noch in wenigen Einzelheiten voneinander abweichen. Daß wir uns um eine 'authentische' Aussprache des französischen Kirchenlateins des 19. Jahrhunderts bemühen, geschieht zum einen in dem Wissen um die Historizität unserer Aufführung, bei der die Annäherung an möglichst viele Aspekte einer 'Originalgestalt' zu neuen Einsichten und Vorstellungen über ein Meisterwerk wie Faurés Requiem führen mag, zum anderen und vor allem jedoch in der Überzeugung, daß Faurés Musik durch den Klang der Sprache eine weitere Dimension erhält, die eben nicht nur Textvermittlung darstellt, sondern als ein wichtiger klanglicher Parameter in die Musik mit 'hineinkomponiert' wurde.
Hörprobe
Gabriel Fauré, »Pie Jesu« aus Requiem, op. 48