Fanny Hensel
1805-1847
Chorlieder
Fanny Hensel, geb. Mendelssohn Bartholdy
geboren 14. November 1805 in Hamburg
gestorben am 14. Mai 1847 in Berlin
An die Entfernte
Wenn ich mir in stiller Seele
Singe leise Lieder vor:
Wie ich fühle, daß sie fehle,
Die ich einzig auserkor.
Möcht’ ich hoffen, daß sie sänge
Was ich ihr so gern vertraut;
Ach! aus dieser Brust und Enge
Drängen frohe Lieder laut.
Goethe an Fanny Mendelssohn Bartholdy, 1821
»Beinahe hätte ich vergessen, Ihnen zu danken, dass Sie erst aus meiner Verlobungskarte geschlossen haben, ich sey ein Weib wie Andre, ich meines Theils war darüber längst im Klaren, ist doch ein Bräutigam auch ein Mann wie Andre. Daß man übrigens seine elende Weibsnatur jeden Tag, auf jedem Schritt seines Lebens von den Herren der Schöpfung vorgerückt bekömmt, ist ein Punkt, der einen in Wuth, u. somit um die Weiblichkeit bringen könnte, wenn nicht dadurch das Uebel ärger würde.«
(Brief von Fanny an Klingemann, 22. März 1829)
»Ich lege zwei Klavierstücke, die seit Düsseldorf geschrieben, für Sie bei, Sie mögen beurteilen, ob sie sich eignen, meiner unbekannten jungen Freundin in die Hände zu kommen; [...] Daß sich hier jemand etwas abschriebe oder nur eine Sache zu hören verlangte, das kommt kaum einmal im Jahr vor, namentlich seit der letzten Zeit, und seit Rebecka nicht mehr singen mag, liegen meine Lieder durchaus ungehört und unbekannt da, und man verliert am Ende selbst mit der Lust an solchen Sachen das Urteil darüber, wenn sich nie ein fremdes Urteil, ein fremdes Wohlwollen entgegenstellt. Felix, dem es ein leichtes wäre, mir mein Publikum zu ersetzen, kann mich auch, da wir nur wenig zusammen sind, nur wenig aufheitern, und so bin ich mit meiner Musik ziemlich allein.«
(Fanny an Klingemann, 15. Juni 1836)
»Was mein Herausgeben betrifft, so stehe ich dabei wie der Esel zwischen zwei Heubündeln. Ich selbst bin ziemlich neutral dabei, es ist mir aufrichtig gestanden einerlei, Hensel wünscht es, Du bist dagegen. In jeder andern Sache würde ich natürlich dem Wunsche meines Mannes unbedingt Folge leisten, allein hierbei ist es mir doch zu wichtig, Deine Beistimmung zu haben, ohne dieselbe möchte ich nichts der Art unternehmen.«
(Fanny an Felix, 22. November 1836)
»Eigentlich sollte ich Dir jetzt gar nicht zumuthen, diesen Quark zu lesen, beschäftigt wie Du bist, wenn ich Dir nicht hätte schreiben müssen, um Dir etwas mitzutheilen. Da ich aber von Anfang an weiß, daß es Dir nicht recht ist, so werde ich mich etwas ungeschickt dazu anstellen, denn lache mich aus, oder nicht, ich habe zu 40 Jahren eine Furcht vor meinen Brüdern, wie ich sie zu 14 vor meinem Vater gehabt habe, oder vielmehr Furcht ist nicht das rechte Wort, sondern der Wunsch, Euch u. Allen die ich liebe, es in meinem ganzen Leben recht zu machen, u. wenn ich nun vorher weiß, daß es nicht der Fall seyn wird, so fühle ich mich rather unbehaglich dabei. Mit einem Wort, ich fange an herauszugeben, ich habe Herrn Bocks treuer Liebesbewerbung um meine Lieder, u. seinen vortheilhaften Bedingungen endlich ein geneigtes Ohr geliehen, u. wenn ich mich aus freier Bewegung dazu entschlossen habe, u. Niemanden von den Meinigen verklagen kann, wenn mir Verdruß daraus entsteht, (Freunde u. Bekannte haben mir allerdings lange zugeredet) so kann ich mich anderseits mit dem Bewußtseyn trösten, die Art von musikal. Ruf, die mir zu solchen Anerbietungen verholfen haben mag, auf keinerlei Weise gesucht oder herbeigeführt zu haben. Schande hoffe ich Euch nicht damit zu machen, da ich keine femme libre u. leider gar kein junges Deutschland bin. Verdruß wirst Du hoffentlich auch auf keine Weise dabei haben, da ich, um Dir jeden etwa unangenehmen Moment zu ersparen, wie Du siehst, durchaus selbständig verfahren bin, u. so hoffe ich, wirst Du es mir nicht übel nehmen. Gelingt es, d.h. daß die Sachen gefallen, u. ich mehr Anerbietungen bekomme, so weiß ich, daß es mir eine große Anregung seyn wird, deren ich immer bedarf, um etwas hervorzubringen, im anderen Falle, bin ich so weit, wie ich immer gewesen bin, werde mich nicht grämen, u. wenn ich dann weniger oder nichts mehr arbeite, so ist ja dann auch nichts dabei verloren.«
(Fanny an Felix, 9. Juli 1846)
»Mein liebster Fenchel, erst heut [...] komme ich Rabenbruder dazu, Dir für Deinen lieben Brief zu danken und Dir meinen Handwerkssegen zu geben zu Deinem Entschluß, Dich auch unter unsere Zunft zu begeben. Hiermit erteile ich ihn Dir, Fenchel, und mögst Du Vergnügen und Freude daran haben, daß Du den andern soviel Freude und Genuß bereitest, und mögest Du nur Autorpläsiers und gar keine Autormisere kennenlernen, und möge das Publikum Dich nur mit Rosen und niemals mit Sand bewerfen, und möge die Druckerschwärze Dir niemals drückend und schwarz erscheinen – eigentlich glaube ich, an alledem ist gar kein Zweifel denkbar. Warum wünsche ich Dir’s also erst? Es ist nur so von Zunft wegen, und damit ich auch meinen Segen dazugegeben haben möge, wie hierdurch geschieht.
Der Tafelschneidergeselle
Felix Mendelssohn Bartholdy«
(Felix an Fanny, 12. August 1846)
»Endlich hat mir Felix geschrieben und mir auf sehr liebenswürdige Weise seinen Handwerkssegen ertheilt; weiss ich auch, dass es ihm eigentlich im Herzen nicht recht ist, so freut mich doch, dass er endlich ein freundliches Wort mir darüber gegönnt!«
(aus Fannys Tagebuch, 14. August 1846)
Literatur
- Sebastian Hensel: Die Familie Mendelssohn. 1729 bis 1847. Frankfurt/M.: Insel 1995. [Insel TB 1671.]
- Françoise Tillard: Die verkannte Schwester. Die späte Entdeckung der Komponistin Fanny Mendelssohn Bartholdy München: Knaur 1996. (Originalausgabe: Fanny Mendelssohn. Paris: Belfond 1992.)