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Britten - Saint Nicolas

BENJAMIN BRITTEN (1913-1976)
SAINT NICOLAS
Hubert Grunow · Tenor
Polygon Kammerorchester Köln
CHORGEMEINSCHAFT ST. BERNHARD, Köln-Longerich
KINDERCHOR an ST. BERNHARD und CHRIST KÖNIG
COLLEGIUM CANTORUM KÖLN
Ltg. Thomas Gebhardt

Sonntag, 2. Dezember 2001 · 17.00 Uhr
St. Bernhard · Köln-Longerich · Hansenstr.
Mittwoch, 5. Dezember 2001 · 19.30 Uhr
Kunst-Station St. Peter · Köln · Jabachstr.

zur Konzertkritik

 

Im Dezember 2001 widmete sich die Chorgemeinschaft St. Bernhard gemeinsam mit dem Collegium Cantorum Köln in einem Konzert der Musik des bedeutendsten englischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, BENJAMIN BRITTEN, dessen 25. Todestag in diesem Jahr begangen wird. Das Schaffen Brittens, von dessen Opern, Kantaten, Lieder und Instrumentalwerke bereits viele zu den »Klassikern« gehören, umfaßt auch zahlreiche geistliche oder religiös inspirierte Werke. Eine der umfangreicheren Kompositionen aus diesem Bereich ist die Kantate »Saint Nicolas«, in der Legenden aus dem Leben des heiligen Nikolaus musikalisch verarbeitet werden. Mit seiner modernen, jedoch niemals abschreckenden Tonsprache, mit der Direktheit der vertonten Szenen und der Konzeption des Werkes für Tenorsolisten, Chöre (unter anderem auch Kinderchor) und ein Kammerorchester aus Streichern, Klavierduo und Percussion ist das Werk ideal geeignet, mit unserem Chor und in unserer Gemeinde auch einmal Kompositionen der »klassischen Moderne« zu begegnen.


Saint Nicolas

Die Entstehung
Im Jahr 1945 wurde Benjamin Britten über Nacht berühmt dank des großen Erfolges seiner Außenseiter-Oper Peter Grimes. Das versetzte ihn in die angenehme Lage zu komponieren, was und wann er wollte. Allerdings gab es nun eine Vielzahl von Interessenten, die sich Kompositionen von ihm wünschten. So auch die Verantwortlichen der Lancing School in Sussex. Die Schule bereitete sich auf ihr hundertjähriges Jubiläum im Jahre 1948 vor und dachte, es wäre doch schön, wenn der berühmteste englische Komponist ihr eine Hymne komponieren würde. Ein aussichtsloser Plan für eine kleine Schule? Nicht ganz. Peter Pears, der berühmte Tenor, war nicht nur Schüler in Lancing gewesen, er war auch der Lebensgefährte von Benjamin Britten. Darüber sprach man nicht öffentlich, aber man wusste darum und nutzte die Verbindung, um Kontakt zu Britten herzustellen, der tatsächlich zusagte.
Britten ist einer der wenigen bedeutenden Komponisten, die gerne für Schüler komponierten (wie etwa Bach mit den Inventionen oder Bartok mit dem Mikrokosmos). Es reizte ihn außerdem, sich mit den Fähigkeiten der Ausführenden zu beschäftigen und ihnen ihre Partien auf den Leib zu schreiben. Hier hatte er erstmals die Möglichkeit, ein richtig großes Werk für Kinder und Jugendliche zu schreiben. Später sollten noch mehr folgen, sogar eine Oper The little Sweep (Der kleine Schornsteinfeger), die zum Thema hat, wie Kinder eine Oper komponieren und aufführen.

Die Legende
Die an der See gelegene Schule von Lancing schlug als Thema das Leben des heiligen Nikolaus vor, nicht nur weil er Schutzheiliger der Kinder und Seeleute ist, sondern er war auch der Schulpatron.
Britten schildert im Vorwort zu seiner Partitur ausführlich den Lebenslauf des Heiligen und wir fragen uns, was ihn gerade am heiligen Nikolaus interessierte: Nikolaus lebte in vollkommener Frömmigkeit - kein Leben, das sich normale Sterbliche gut vorstellen können. Er benahm sich gleich nach seiner Geburt schon wie ein Heiliger, wurde gerühmt für seine frommen Taten und starb friedlich nach einem gottgefälligen Leben. Britten beschäftigte sich sonst lieber mit Außenseitern, mit denen, die unter der Gesellschaft leiden oder mit solchen, die alles falsch machen (wie dem genauso grobschlächtigen wie sensiblen Fischer Peter Grimes in der gleichnamigen Oper). Eigentlich meint man, müssten ihm Heilige wie Franz von Assisi näher gewesen sein, die Fehler und Sünden begingen wie jeder von uns, bevor sie nach inneren Kämpfen zu Vorbildern wurden.
Britten selbst gab Hinweise, was ihn an Nikolaus faszinierte, als er schrieb: »Die meisten Legenden von Nikolaus handeln von seiner Sorge für die Armen und Unterdrückten.« Seine »Kraft auch aus der Ferne denjenigen zu helfen, die ihn anriefen«, war ganz aktuell. Gerade erst war der zweite Weltkrieg vorüber mit all seinen seelischen und materiellen Verwüstungen und Zerstörungen. Jeder, der einen Angehörigen verloren hatte, träumte davon, dass ein starker Helfer ihn einfach wieder ins Leben zurückbringe wie Nikolaus die drei gepökelten Knaben. Das unerschütterliche Gottvertrauen in Sturm, Not und gegenüber den Mächtigen zog und zieht die Menschen an. Jeder möchte einmal die Mächtigen dazu zu bringen, dass für sie die gleichen Regeln gelten wie für die kleinen Leute - wie es Nikolaus mit Kaiser Konstantin auf dem Konzil von Nicæa tat.
Als Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg, eingeklemmt zwischen äußerer Gewalt und seiner zutiefst friedfertigen Natur, wird Britten sich nach einem Helfer wie Nikolaus gesehnt haben, der ihm einen Ausweg aus seinem Zwiespalt gezeigt hätte. (Die Gefängnisstrafe blieb ihm übrigens erspart - das Gericht sah es als nützlich an, wenn er der von deutschen Bomben bedrohten Heimat mit musikalischen Mitteln diente.)
Eric Crozier, ein bewährter Mitarbeiter und Freund aus frühen Jahren, schrieb einen Text, der die wichtigsten Szenen im Leben des heiligen Nikolaus schilderte und dem opern- und filmmusikerfahrenen Britten dankbare Möglichkeiten für dramatische Schilderungen gab, wie etwa die Darstellung des Sturmes auf dem Schiff nach Palästina.

Die Musik
Britten berichtet, er habe Crozier die Schöpfung als Modell für sein Libretto empfohlen, womit er Baron van Swietens Textbuch für Joseph Haydns Komposition der Schöpfung meinte. Bei der Vertonung orientierte er sich selbst weniger an der Schöpfung. Wenn man Anregungen für die Form der Kantate suchen will, findet man sie vielleicht eher in der Bachschen Matthäuspassion: anstelle des Evangelisten tritt St. Nikolaus als Erzähler in eigener Sache auf, der Chor übernimmt wie in der Matthäuspassion drei Rollen: er ist Träger der dramatischen Handlung, er singt als Chor der Gläubigen Betrachtungen über das Geschehen und schließlich singt er in den Gemeindechorälen mit.
Die Auftraggeber wussten, dass sie von Britten keine harmlose und gefällige Musik erwarten konnten, sondern anspruchsvolle zeitgenössische Musik - eine große Herausforderung für Mitwirkende und Zuhörer. Auch heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, klingt das Werk noch nicht wie von gestern. In seinem Eingehen auf die persönlichen Fähigkeiten der Mitwirkenden schuf Britten plastische musikalische Bilder und Themen, die man zwar nicht spontan mitpfeift wie ein Kinderlied, die sich aber doch schnell im Ohr festsetzen. Er schafft immer wieder, die Kluft zwischen hohem musikalischem Anspruch und der Ausführbarkeit für Laien zu überwinden. Von der leichteren Ausführbarkeit ausgenommen bleibt natürlich die Rolle des Nikolaus, die das enorme musikalische und gestalterische Können seines Freundes Peter Pears zur Geltung bringen sollte.

I Einleitung
In der Einleitung eröffnen Nikolaus und der Chor der Gläubigen, warum sie diese Kantate singen. Britten setzt gerne Worte und Gedanken des Textes in musikalische Bilder um, die man beim Hören schnell verstehen kann. Wenn Saint Nicolas anhebt: »Across the tremendous bridge of sixteen hundred years« (»Ich überschreite die gewaltge Brück’ von sechzehnhundert Jahren«), hört man die Stimme des Tenors eine Brücke hinauf- und wieder hinabsteigen.
Wichtiger als dieses Bild ist gewiss die Bitte des Chores »Screw up our strength to serve Thee with simpicity« (»Stärk’ uns, o Herr und mehre unsere Kraft, in deinem Dienst zu stehn in Einfachheit«). Die Einfachheit ist ein Schlüsselbegriff für die ganze Kantate, denn alle Zuhörer und Mitwirkende, auch die Kinder, sollen ohne musikwissenschaftliche Studien verstehen können, worum es hier geht. Aber es ist eine kunstvolle Einfachheit, wenn das Orchester in der Einleitung ganz einfache liegende Akkorde spielt, die Solo-Geige darüber aber schnell in ganz anderen Tonarten spielt. Einfach heißt bei Britten niemals simpel - er hält seine Zuhörer nicht für dumm und einfältig.

II Nikolaus’ Geburt
Ein genauso wichtiger Gedanke wie die Einfachheit ist für Britten die Unschuld, gerade kindliche Unschuld. Das drückt in der Darstellung von Nikolaus’ Geburt die Orchesterbegleitung mit einem unschuldigen, fröhlichen Walzer aus. Britten will, dass der jüngste Knabe des Chores den immer wiederkehrenden Ruf des Säuglings Nikolaus »God be glorified!« (»Gott sei gelobt!«) singt. Wenn die Gemeinde ahnungsvoll ausruft: »Nicolas will be a Saint« (»Ein Heiliger wird er«), macht die Handlung einen Zeitsprung: nun erschallt der Lobruf mit der Stimme des erwachsenen Nikolaus.

III Nikolaus weiht sich dem Herrn
Nikolaus erzählt zu ruhenden Orchesterklängen, wie er nach dem Verlust seiner Eltern Mitleid mit der von Zweifeln und Ängsten geplagten Menschheit bekam. Er ringt mit sich, wie er den Menschen mit all seiner Kraft helfen kann. Das Orchester beschreibt sein mühsames Ringen um Liebe und noch größere Liebe - bis es schließlich durch die erfüllte Bitte nach »sweet humility« (»süße Demut«) zur Ruhe kommt.

IV Die Reise nach Palästina
Der Sturm auf der Seefahrt ist der dramatische Höhepunkt der Kantate. Das Orchester spielt eine sich ständig wiederholende heftige auf- und absteigende Figur - sie drückt See, Wind und Sturm aus. Wenn Nikolaus vergeblich die Ungläubigen warnt »Nicolas swore he’d punish them for mocking at the Lord« (»Nikolaus schwor ihnen Strafe«), wird der Sturm immer heftiger, der Chor immer erregter. Nikolaus schweigt geduldig, bis die Mannschaft in höchster Not von selber anfängt zu beten. Er betet mit ihnen, und schon beruhigt sich der Sturm. Nikolaus weint aus Dankbarkeit über Gottes Güte. Die auf- und absteigende Bewegung des Anfangs beruhigt sich zu einer gleichmäßigen und tröstenden Musik.

V Nikolaus kommt nach Myra und wird zum Bischof erwählt
Ob Nikolaus mit dem Willkommen seiner neuen Gemeinde zufrieden war? Er hatte doch das ganze Vermögen seiner Eltern den Armen geschenkt und nun preist die Gemeinde gerade die prunkvollen äußerlichen Zeichen seiner Macht - den Kreuzstab, die Mitra, das goldene Gewand! Auch wenn die Gemeinde singt »Serve the faith and spurn His enemies« (»Diene dem Glauben und bekämpfe seine Feinde«), haben sie ihn vielleicht missverstanden: er ist kein Kriegsheld, der die Feinde tötet. Seine Sorge gilt den inneren Feinden: Angst, Verzweiflung, Kleinmut. Die Nächstenliebe war sein Werk, nicht die Rache. Diese Worte der Gemeinde erklingen als ausgedehnte Chorfuge, die in den mächtigen Choral mündet: »All people that on earth do dwell sing to the Lord with cheerful voice!« (»Die Menschen rings im Erdenkreis, sie singen froh zu Gottes Preis.«) Und tatsächlich wird dieser Choral, so will es Britten, nicht nur von allen Chören gesungen, sondern auch von der versammelten Gemeinde, die für den ganzen Erdkreis steht. Englischen Zuhörern fällt das Mitsingen leichter als deutschen, da Britten eine in der anglikanischen Kirche verbreitete Weise (die Psalmmelodie Old Hundredth) verwendet.

VI Nikolaus im Gefängnis
Als Nikolaus acht lange Jahre im Gefängnis verbringt, beklagt er nicht sein eigenes Schicksal, sondern das Schicksal seiner Herde, unter die sich die Wölfe mengten. Das Orchester erinnert kurz an die Begleitfigur von Nikolaus’ erstem großen Solo, in dem er um noch mehr Liebe rang - wahrhaft ein Zeichen von Heiligkeit an diesem schlimmen Ort!
VII Die eingepökelten Knaben
Der ergreifendste Satz des Werkes ist die grausame Geschichte von drei Knaben, die während einer Hungersnot von einem Metzger getötet und eingepökelt worden waren und anschließend von ihren Eltern verzweifelt gesucht werden. Durch die ganze Szene zieht sich ein unerbittlicher Marsch, mit dem der Zug der hungernden Menschen dargestellt wird, die auf der Suche nach Nahrung ins Haus des Metzgers geraten. Ausgerechnet dem heiligen Nikolaus wird das Fleisch der Knaben vorgesetzt. Der Bischof gebietet dem grausamen Schicksal Einhalt, er ruft die drei Knaben zurück ins Leben. Wenn sie Hand in Hand in den Raum kommen und mit ihren Knabenstimmen »Alleluja« singen, dann berührt das selbst die, die durch Fernsehen und Kino abgestumpft sind.

VIII Seine Frömmigkeit und Wundertaten
Es sind uns mehr Wundertaten von Nikolaus überliefert, als in dieser Kantate ausführlich erzählt werden können. Die Chöre schildern einige davon und fallen sich dabei atemlos ins Wort, bis sie schließlich in sieben Chöre aufgeteilt als Kanon singen: »Let the legends that we tell, praise him, with our prayers as well« (»Was von dem Heiligen wir erzählt, soll preisen ihn wie ein Gebet«). In schlichtem unbegleiteten Chorsatz gelobt die Gemeinde, sein Andenken lebendig zu halten und an Kinder und Kindeskinder weiterzugeben.

IX Der Tod des Nikolaus
Nikolaus steht im Angesicht des Todes. Sein Leben ist erfüllt. Angst vor dem Tod hat er nicht mehr, im Gegenteil, er erwartet den Tod als Beginn eines neuen Lebens: »I come to life to final birth« (»Wie neu geboren tret’ ich ein«). Während seiner letzten trostvollen Worte singt der Chor den Dankgesang des heiligen Simeon »Lord, now lettest Thou Thy servant depart in peace« (»Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden scheiden«). Kunstvoll wird die an einen gregorianischen Choral erinnernde Melodie in Orchesterklänge und Nikolaus’ Solo eingeflochten. Mit diesem Hinweis auf die Geburt des Heiland wird in der Adventszeit die Verbindung zur Weihnachtsbotschaft hergestellt.
Noch einmal singen alle Mitwirkenden gemeinsam mit den Zuhörern einen Choral, der gleichsam zur Apotheose und zum Vermächtnis wird: »The clouds ye so much dread are big with mercy and shall break in blessings on your head.« (»Die Wolken, drohend sonst, voll Gnade strömen über uns den Segen Gottes aus.«)

Die Uraufführungen
Die Kantate entstand zwar im Auftrag der Lancing School, das Recht der ersten Aufführung aber sicherte sich Britten für die Eröffnung des ersten Aldeburgh-Festivals. Dieses Festival hatte er gerade mit den Hauptpersonen der Entstehung der Kantate gegründet: mit Eric Crozier und Peter Pears. Dort erklang das Werk erstmals am Eröffnungstag des Festivals, dem 5. Juni 1948, in der Gemeindekirche. Britten war zeitlebens von Lampenfieber geplagt, ganz besonders bei Uraufführungen seiner eigenen Werke. Vielleicht überließ er deshalb die Leitung dem Dirigenten Leslie Woodgate. Berichten zufolge saß er selbst währenddessen draußen vor der Kirchentür, den Kopf in den Armen verborgen, und hörte voller Nervosität und Aufregung zu.
Das Aldeburgh-Festival entwickelte sich schnell zum wichtigsten Forum für Uraufführungen neuer Werke aus Brittens Feder. Berühmte Musiker und Gäste aus aller Welt zog und zieht es bis heute ebenso dorthin wie die Bewohner der umliegenden Ortschaften, die auf diese Weise ganz nah am aktuellen Musikgeschehen Englands teilhaben konnten.
Begeisterter Zuhörer der Uraufführung war der britische Schriftsteller E. M. Forster, der Saint Nicolas für »einen der Triumphe außerhalb jedes Regelwerks der Kunst, wie es nur der wirklich große Künstler zustande bringt«, hielt.
In Lancing war die Kantate dann, pünktlich zum Jubiläum am 24. Juli 1948, unter Mitwirkung des Schulchores und von Knaben- und Mädchenchören vier weiterer Schulen aus der Nachbarschaft zu hören. Diesmal übernahm Britten selber die Leitung und natürlich sang wieder Peter Pears die Titelrolle.

JOACHIM RISCH

 

A Hymn to the Virgin

Dieses Jugendwerk schrieb Britten als 17-jähriger im Internat, während er krank im Bett lag. Um seine Genesung nicht zu gefährden, hatte man ihm das Notenpapier weggenommen; daraufhin zog er die Notenlinien notdürftig von Hand. Den Text der Hymne, eine mittelalterliche Lobpreisung Mariens, fand er in einem Gedichtband, den er für gute Schulnoten erhalten hatte. Britten vertonte sie im Stile einer Antiphon für zwei Chöre im Wechselgesang. Der eine Chor singt auf Englisch, während ein entfernt aufgestellter kleiner Chor mit lateinischen Einwürfen den Sinn des Gedichtes erweitert. Schon in diesem Jugendwerk verbindet er bruchlos Kompositionstechniken längst vergangener Jahrhunderte mit modernen Mitteln seiner Zeit und schafft die dichte Atmosphäre einer fernen Vergangenheit voll geheimnisvoll-verlockender Frömmigkeit. Die Hymne wurde eines seiner beliebtesten Werke überhaupt.

JOACHIM RISCH

Deus in adjutorium

Dieses kurze Chorstück stammt aus der Bühnenmusik, die Britten für das 1945 uraufgeführte Theaterstück This Way to the Tomb von Ronald Duncan geschrieben hatte. Auch diese Anrufung aus dem Stundengebet erinnert an klösterliche Frömmigkeit, ohne dabei die musikalische Sprache seiner Gegenwart zu verleugnen. Der Chor hebt einstimmig wie ein gregorianischer Choral an, um sich schnell in einem Kanon zwischen Frauen- und Männerstimmen zu verschränken. Der Aufschrei »Domine ad adiuvandum me festina« (»Herr, eile mir zu helfen!«) wird rhetorisch und harmonisch hervorgehoben, die Doxologie (die Anrufung von Vater, Sohn und Heiligem Geist) fügt effektvoll zwei verschiedene Kanons zusammen und lässt gleichzeitig Glockenklang ahnen. Mit ganz sparsamen Mitteln erzeugt Britten eine sehr bildhafte Musik.

JOACHIM RISCH