Bach - Weihnachtsoratorium
Teil I-III
Freitag, 28. Dezember 2001 · 19.30 h
St. Bernhard · Köln-Longerich, Hansenstr.
Samstag, 29. Dezember 2001 · 19.30 h
St. Andreas · Köln, Komödienstr.
Teil I, IV-VI
Samstag, 28. Dezember 2002 · 19.30 h
St. Andreas · Köln, Komödienstr.
Sonntag, 29. Dezember 2002 · 17.00 h
St. Bernhard · Köln-Longerich, Hansenstr.
Konzertkritik (KStA, 31.12.2002)
J. S. Bach · Weihnachtsoratorium
von Joachim Risch
Wer heute eine Aufführung von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium besucht, ist in aller Regel mit dem Werk vertraut. Es gehört zum Weihnachtsfest wie der Lichterbaum und Spekulatius. Höchstens unter den Kindern werden vielleicht einige sein, die zum allerersten Mal in ihrem Leben Pauken, Trompeten und Chor jauchzen, frohlocken und die (Weihnachts-) Tage preisen hören.
Welch' ein Glück für uns! Die Leipziger hingegen, die in den Weihnachtstagen 1734/35 in die Thomaskirche oder in die Nicolaikirche kamen, hörten diese prachtvolle und tiefgründige Musik nur ein einziges Mal in ihrem Leben. Kaum vorstellbar, dass Bach alle Register seines Könnens zog, um ein derartig großes Werk für eine einmalige Verwendung zu schreiben! Über eine spätere Wiederaufführung zu Bachs Lebzeiten ist uns aber tatsächlich nichts bekannt. Erst im Jahr 1857 wurde das Weihnachtsoratorium wieder zu Gehör gebracht, um schließlich das volkstümlichste aller seine Chorwerke zu werden.
Ob die Leipziger damals wohl aufmerksam lauschten? Anders als heute abend gingen die Menschen nicht in erster Linie in die Kirche, um großartige Musik zu hören. Der Gottesdienst war, neben seiner religiösen Bedeutung, in einer Zeit ohne Telefon und Fernseher ein wichtiger Treffpunkt, ein gesellschaftliches Ereignis. Man tauschte Neuigkeiten aus, zeigte den neuen Wintermantel... Auch das Weihnachtsoratorium war Bestandteil des Gottesdienstes, und der war lang in der damaligen Zeit. Und kalt! Zwar hatte die Thomaskirche im späten Mittelalter als eines der ersten Gotteshäuser seit der Römerzeit eine Heizung. Aber diese war in Laufe der Jahrhunderte längst in Vergessenheit geraten. Mit Rücksicht auf die frierende Gemeinde pflegten Bachs Kantaten in Wintergottesdiensten wesentlich kürzer zu sein als in der wärmeren Jahreszeit. Zum Weihnachtsfest hatte Bach aber besonders Wichtiges zu sagen, und die sechs Teile des Weihnachtoratoriums dauerten jeweils fast eine halbe Stunde, unterbrochen durch die Predigt. An hohen Feiertagen konnte die Predigt eine ganze Stunde dauern.
Genau genommen war auch das Weihnachtsoratorium Teil der Predigt, denn in allen Kantaten beziehen sich die Texte auf das Evangelium des jeweiligen Festtages. Ein Teil jeder Kantate wurde vor der Predigt, der Rest danach gesungen. Die Choräle und die freie Dichtung kommentierten das Evangelium und legten es aus. Die Übersetzung in die universelle Sprache der Musik sollte helfen, dass alle die Botschaft verstanden, nicht nur die theologisch Gebildeten. Die Musik war also nicht nur hübsche Untermalung des Gottesdienstes, sondern zentraler Bestandteil. Text und Choräle wurden mit dem Pfarrer abgestimmt. Bach nahm im Weihnachtsoratorium kleine Veränderungen in der Reihenfolge der Lesungstexte vor, um eine fortlaufende Handlung zu erhalten. Bei seiner Johannespassion sollte ihm ein solch eigenmächtiges Verhalten Ärger mit der Obrigkeit einbringen.
Die Kirchen waren damals - der Traum eines jeden Pfarrers - immer voll, sehr voll sogar! Die Thomaskirche hatte seinerzeit 2100 Sitzplätze, so dass die Worte der Solisten und des Chores sicherlich nicht leicht zu verstehen waren. Deshalb war es üblich, gedruckte Texte am Eingang zu verkaufen. Das Textheft des Weihnachtsoratoriums ist einer der wenigen Kantatentextdrucke, die uns glücklicherweise erhalten sind.
Wir wissen nicht, ob sich die Gottesdienstbesucher mehr mit der Musik oder mehr mit den Gedanken des Textes beschäftigten. Heutzutage achten wir weniger auf den Text, denn uns ist die barocke Sprache fremd geworden, und so steht für die meisten die Musik ganz und gar im Vordergrund des Interesses. Für Bach waren Text und Musik untrennbar miteinander verbunden, und er nutzte die Affektenlehre wie die musikalische Rhetorik, um den Text auszulegen, um seine Gedanken hörbar zu machen.
Die Gedanken, musikalischen Figuren, Assoziationen, die damals geläufig waren, kennen heute nur noch Experten. Notwendig zum Hören ist das Wissen nicht - die Musik teilt sich unmittelbar mit. Als kleine Hörhilfe möchten wir trotzdem ein paar Hinweise darauf geben, was Bach gemeint hat. Dies kann den Genuss des Vertrauten vertiefen.
Eine aus späterer Sicht verwunderliche Sitte war es, dass Bach fast alle Arien und die meisten Chöre aus eigenen früheren Werken übernahm und mit einem neuen Text versah. Meist waren die Vorlagen Glückwunschkantaten auf den Geburtstag eines Fürsten, die nach einmaligem Erklingen nicht mehr gebraucht wurden. Man nennt diese Wiederverwertung »Parodie«. Im Gegensatz zum heutigen Sprachgebrauch meint »Parodie« aber kein humoristisches Verfahren, sondern ist eine ganz seriöse Angelegenheit. Beim Hören des Weihnachtsoratoriums glaubt man kaum, dass die Musik ursprünglich einmal zu einem anderen Text geschrieben worden war. Bach hatte einen gewandten Textdichter (wer es war, wissen wir nicht), der die Texte so schrieb, dass sie bruchlos zur Musik passten. Der Rest war die Kunstfertigkeit Bachs, der mit kleinen, aber gezielten Änderungen den Gefühlsausdruck der Musik (den Affekt, wie man damals sagte) genau traf.
Am 1sten Heil. Weyhnacht- | Feyertage
Der Eröffnungschor »Jauchzet, frohlocket« ist für uns der Inbegriff des Weihnachtsoratoriums mit seinen Pauken und Trompeten, jubilierenden Geigen und Flöten, mit den prächtigen Chorpartien! Wann hat jemals ein Komponist die Freude über das Weihnachtsfest vollkommener ausgedrückt? Und doch ist auch dieser Satz eine Parodie, einst auf den Geburtstag der sächsischen Kurfürstin Maria Josepha geschrieben unter dem Titel »Tönet, ihr Pauken, erschallet Trompeten!« Verblüffend, wie genau dieser erste Text passt. Pauken und Trompeten werden von den Sängern nachgeahmt: Sie singen die zwei Töne d und a, die die Pauke spielen kann, einstimmig in tiefster Lage. Dabei singt der Sopran den tiefsten Ton, den Bach je von dieser Stimme verlangt hat. Nachdem Bach die Noten für das Weihnachtsoratorium eingerichtet hatte, wurde die Sopranstimme an dieser Stelle (vermutlich von seinem Sohn Carl Philipp Emanuel) übrigens nachträglich geändert und um eine Oktave höher notiert - was zum neuen Text vielleicht sogar besser passt, wenn der Sopran von Anfang an jubilieren darf. Die Trompete war im Barock das Attribut des Herrschers - des weltlichen wie des himmlischen. Dass sie hier schmettern darf, weist darauf hin, dass Jesus als Herrscher geboren wird.
Die wichtigste Stimme im Weihnachtsoratorium ist der Alt, denn die Altstimme verkörpert traditionell Maria. Nicht immer ist damit die Mutter Gottes als Person gemeint, sondern sie verkörpert das Urbild des Glaubens und damit auch der Kirche. Mit dem Satz »Nun wird mein liebster Bräutigam« tritt Maria das erste Mal in Erscheinung. Dass eine Mutter ihren eigenen Sohn als Bräutigam anspricht, konnte nur einem barocken Dichter einfallen. In der folgenden Arie »Bereite dich, Zion, den Schönsten, den Liebsten bald bei dir zu sehen« greift Maria diesen Gedanken auf. Mit »Zion« ist das Volk Gottes gemeint. Das Begleitinstrument, die Oboe d’amore, ist - wie der Name schon sagt - ein Symbol der Liebe.
Mit »Wie soll ich dich empfangen« erscheint das erste Mal ein Choral. Choräle drücken die Stimme der Gemeinde aus.
Auch in der Arie »Großer Held und starker König« symbolisiert die Trompete den Heiland als Herrscher. Wieder handelt es sich um die Parodie einer Arie aus einer Kantate für einen weltlichen Herrscher. Ganz und gar ungewöhnlich bei der Vorlage ist jedoch, dass sie mit der sächsischen Kurfürstin Maria Josepha eine weibliche Herrscherin preist.
Der erste Teil wird mit dem Choral »Ach, mein herzliebes Jesulein« beschlossen. Mit der Liebe des Barock für Symmetrie verweist er mit seinen pompösen Trompetenzwischenspielen auf den Eröffnungssatz und unterstreicht noch einmal den göttlichen Herrschaftsanspruch.
Am 2. Heil. Weyhnachts-| Feyertage
In eine ganze andere Welt führt uns der zweite Teil. Pauken und Trompeten schweigen. Dafür zeigen Oboen als Hirten- und Flöten als Engelsinstrumente, wo wir uns befinden: mit den Hirten auf dem Feld bei der Krippe.
Als einziges Instrumentalstück des ganzen Oratoriums ist die einleitende Sinfonia eine Besonderheit. Mit ihrem wiegenden 12/8-Takt ist sie unüberhörbar eine Hirtenmusik und das war eine weihnachtliche Tradition. Die bekanntesten Beispiele sind das Weihnachtskonzert von Arcangelo Corelli oder die Pifa aus Händels Messias. Worte braucht dieser Satz nicht - zu eindeutig ist das Geschehen: Ein Wechselgesang der Hirten mit den über dem Geschehen schwebenden Engeln, bis sich alle Instrumente zum Lob des neugeborenen Heilands vereinen.
Die Arie »Frohe Hirten, eilt, ach eilet« drückt in hochvirtuosen Läufen die atemlose Freude über die Ankunft des Erlösers aus. Man könnte die musikalisch-rhetorischen Figuren aufzählen, die Bach dafür verwendet - man muss es aber nicht, denn die Absicht der Arie ist unüberhörbar.
In der Arie »Schlafe, mein Liebster, genieße der Ruh’« schlägt Maria erneut einen sinnlichen Ton an. Auch wenn es sich erneut um eine Parodie handelt, gibt es wohl kaum ein Musikstück, das so vollkommen beruhigen kann wie diese Arie.
Der zweite Teil wird mit dem Choral »Wir singen dir in deinem Heer« abgeschlossen. Für eine geschlossene Form sorgt Bach, indem dieser Choral Motive des Eingangssatzes aufgreift. Ungewöhnlicherweise steht der Choral in einem wiegenden Rhythmus. Die Instrumente greifen in den Zwischenspielen die Hirtenmusik der Sinfonia auf und symbolisieren so die Versöhnung von himmlischer und irdischer Welt.
Am 3. Heil. Weyhnachts-| Feyertage
Der dritte Teil verwendet wieder Trompetenklang. Der Text des Eingangschores »Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen« kommt uns ziemlich seltsam vor. Während Bach selbstbewusst all’ sein musikalisches Können präsentiert, greift der Textdichter die typische untertänige Sprache seiner Zeit gegenüber Herrschern auf.
Im Zentrum dieses Teils steht die Anbetung der Hirten. Sehr ohrenfällig ist der Chor »Lasset uns nun gehen gen Betlehem«
Chor »Lasset uns nun gehen gen Bethlehem«: Erst laufen die Stimmen alle in verschiedene Richtungen, bis sie sich nach einigen Takten zusammentun und in die gleiche Richtung bewegen.
Auch hier stehen die Choräle für die Gemeinde der Gläubigen. Im Choral »Seid froh dieweil« wird auf Christus als Herrscher Bezug genommen und so greift Bach durch die Wiederholung des Eingangschores diesen Gedanken auf und gibt auch diesem Teil wieder eine symmetrische Form.
Aufs Fest der Beschneidung | Christi.
Die vierte Kantate ist zum Neujahrstag geschrieben. Im Evangelientext ist nicht von der Beschneidung, sondern von der Namensgebung Christi die Rede. Das ist kein handlungsstarker Text, so dass hier die betrachtenden Elemente im Vordergrund stehen. Die Namensgebung hat einen gleichnishaften Charakter: Sie wird als Vorwegnahme der Erlösung angesehen. Der besondere emotionale Bezug zur Namensgebung ist sicherlich größtenteils in den vergangenen Jahrhunderten verlorengegangen. Er erschließt sich heute weniger durch die Worte als die Musik, zu der Bach angeregt wurde.
Diese Kantate hat eine Sonderstellung im Weihnachtsoratorium durch ihre Tonart F-Dur, die von der Grundtonart D-Dur am weitesten entfernt ist, sowie durch den Klang der Hörner in den Rahmensätzen.
Im Zentrum der Kantate steht die Echo-Arie. Unterstrichen wird die Zentralstellung dadurch, dass sie durch ein zweigeteiltes Duett eingerahmt wird. Während der Bass in seinem Rezitativ die gläubige Seele verkörpert, erklingt im (Chor-)Sopran gleichzeitig ein Gemeindechoral. Gemeinsam singen sie von der Zuversicht, die ihnen alleine der Name Jesu schon gegeben hat.
Die Echo-Arie gehört zu den beliebtesten Stücken des ganzen Weihnachtsoratoriums. Das Spiel mit dem Echo war in der Barockzeit populär und Bach erweitert es noch im Wechselgesang mit der Oboe, die ihr eigenes Echo spielt. Aber Bachs Bezeichnung der zweiten Sopranstimme als Echo ist eigentlich nicht korrekt, denn am Ende der Strophen sagt die Echo-Stimme, was die Solostimme noch gar nicht ausgesprochen hat. Man kann diese besondere musikalische Form als einen Zwiegesang der gläubigen Seele mit dem Jesuskind deuten, man kann das Echo aber auch als Antwort sehen, die der Mensch in den tiefen Schichten seiner eigenen Seele findet.
Nach diesem besinnlichen Kernstück folgt die besonders schwung- und kraftvolle Arie »Ich will nur Dir zu Ehren leben«. Der Tenor singt mit zwei Soloviolinen und dem Generalbass »Mein Heyland giebt mir Krafft und Muth«. Den Inhalt dieser Worte drückt die Musik vollkommen aus.
Die Kantate endet mit dem Choral »Jesus richte mein Beginnen«. Die Hörner spielen die Zwischenspiele zwischen den Choralzeilen. Anders als in allen anderen Kantaten verwendet Bach hier keine in Leipzig bekannte Melodie, so dass die Gemeinde keine Möglichkeit hatte mitzusingen. Ohnehin wissen wir heute nicht mehr genau, ob es zu Bachs Zeiten üblich war, dass die Gemeinde die Choräle mitsang.
Am Sonntage nach dem | Neuen Jahr.
Die fünfte Kantate erzählt von der Suche der Weisen aus dem Morgenlande nach dem Stern von Bethlehem. Das Bild des Sterns führt auch uns Hörer durch die ganze Kantae. So verbindet es den Choral »Dein Glantz all Finsterniß verzehrt« mit der Arie »Erleucht auch meine finstre Sinnen«. Wie so häufig verknüpft Bach aufeinanderfolgende Sätze mit gleichen Worten oder Bildern, vertieft aber diese Verbindung, indem er den symbolischen Gehalt ausleuchtet. Hier sind es Worte wie Glantz, Licht, Strahlen, Erleuchte, die das Bild des Sterns aufgreifen. Aber natürlich geht es nicht nur um Licht im äußerlichen Sinne, sondern auch um die Erleuchtung, die von der Krippe in Bethlehem ausgeht. Ein Blick auf die Weihnachtsdekorationen unserer Zeit zeigt von der ungebrochenen Kraft dieses Symbols in der finsteren Jahreszeit, auch wenn sich die wenigsten beim Aufhängen ihrer Lichterketten über die Bedeutung Gedanken machen.
Vielschichtig ist auch das Terzett angelegt. Sopran und Tenor fragen »Ach wenn wird die Zeit erscheinen?« und »Ach wenn kömmt der Trost der Seinen?«, worauf der Alt einwirft »Schweigt: er ist schon würcklich hier«. Wieder einmal verkörpert der Alt Maria. Das Wort hier meint einerseits den Stall von Bethlehem, anderseits jeden Gläubigen.
Auch im abschließenden Choral taucht das Licht wieder auf. Zwar sind aus dem Stern Sonnen geworden, aber der tiefere Gehalt bleibt der Gleiche: Die Erleuchtung der finstren Grube, die das menschliche Herz ohne das Licht aus Bethlehem wäre.
Am Feste der Offenbahrung | Christi.
Die sechste Kantate beschließt den Zyklus des Weihnachtsoratoriums. Angesichts der Bedeutung der Symmetrie im barocken Denken ist es selbstverständlich, dass Bach in der gleichen Tonart D-Dur endet, mit der er begonnen hat, und dass wieder die Trompeten hinzutreten. Die Trompeten haben wiederum nicht nur musikalischen Sinn mit ihrem Strahlenglanz für den jubelnden Abschluss. Auch ihr Charakter als Instrumente des Herrschers im Diesseits wie im Jenseits kommt zum Zuge. Denn, wie es sich für ein Happy-End gehört, droht vorher noch einmal Gefahr: Das Evangelium erzählt, wie die Weisen aus dem Morgenlande endlich den Weg nach Bethlehem gefunden haben und das Kindlein anbeten. Herodes aber hat ja Schlimmes vor, er will es als bedrohlichen Konkurrenten töten. Das sagt er aber nicht, sondern bittet die Weisen, auch ihm den Weg zu weisen, damit er es anbete. Diese Lüge wird von Bach musikalisch demaskiert. Das Wort anbete vertont er so, dass man, ohne die barocken Kompositionsregeln studiert zu haben, sofort hört, dass etwas nicht stimmt: Herodes ist so ungeduldig, dass er das Wort auf der falschen Silbe, nämlich der letzten, betont. Er wird plötzlich viel zu schnell und ist fertig, bevor die Instrumente zum Schluss kommen. Im Evangelium steht, dass Gott den Weisen im Traum befahl, nicht zu Herodes zurückzukehren. Wenn sie Herodes gut zugehört haben, hätten sie es aber ohnehin schon gewusst.
Die Arien dieser Kantate bekräftigen, dass die göttliche Macht der weltlichen überlegen ist, dass wir also geschützt und geborgen sind: »Nur ein Winck von seinen Händen | Stürtzt ohnmächtger Menschen Macht« und »Nun mögt ihr stoltzen Feinde schrecken, | Was könt ihr mir für Furcht erwecken«.
Der Schlusschoral fasst das noch einmal klar und einfach zusammen. Eine kleine Schwierigkeit bereitet uns nur der für unsere Ohren etwas merkwürdige Text: »Nun seyd ihr wohl gerochen | An eurer Feinde Schaar«. Die Schwierigkeiten sind beseitigt, wenn man weiß, dass gerochen eine alte Form für gerächt ist.
Das letzte Wort in diesem Choral wie im ganzen Weihnachtsoratorium haben nicht die menschlichen Stimmen, sondern die Instrumente, geführt von der Trompete, der Stimme des himmlischen Herrschers.
JOACHIM RISCH